Stadtnatur erhalten — Spatzen schützen

NaturFreunde erinnern an Weltspatzentag an die Zerstörung der Lebensräume von Haussperlingen -

2022 Foto WeltspatzentagAnlässlich des Weltspatzentags 2022 haben die NaturFreunde Berlin eine Aktion am Mehringdamm in Kreuzberg durchgeführt. Am Beispiel des Umbaus des Mehringdamms zeigten die NaturFreunde die Veränderung der Stadtnatur durch die Planungen des Berliner Senats und der Berliner Bezirke auf. Am Mehringdamm zwischen Gneisenaustraße und Bergmannstraße gab es große Hochbeete mit einem dichten Strauchbewuchs, der für die Spatzen ein wichtiger Rückzugsort war. Durch die Planungen des Umbaus des Mehringdamms wurden nahezu alle Hochbeete zerstört und eine Neuplanung für den Bereich vorgenommen.

Die NaturFreunde Berlin haben in enger Zusammenarbeit mit dem Bündnis „StadtNatur in K 61“ in einer Vielzahl von Gesprächen und mit sehr konkreten Vorschlägen versucht, eine Umplanung in diesem Bereich zu erreichen. Anhand der aktuellen Baufortschritte zeigt sich jedoch, dass sie mit ihren Vorschlägen bei den Verantwortlichen so gut wie nicht durchdringen konnten. Mit den jetzt durchgeführten Umbau des Mehringdamms wird für die Spatzen in Berlin ein weiterer Rückzugsraum und ein innerstädtisches Biotopnetz nahezu vollständig zerstört. Ein solches Vorgehen konterkariert die Verpflichtung des Bezirks zur Kommune der Biologischen Vielfalt.

Dazu Uwe Hiksch, stellvertretender Landesvorsitzender der NaturFreunde Berlin: „Es ist in keiner Weise akzeptabel, dass am sechsstreifigen Mehringdamms der Fahrradweg auf den Gehweg gelegt werden muss und für diese Maßnahme nahezu alle bisher vorhandenen Hochbeete zerstört werden. Die Verkehrsplanungen im Bereich Mehringdamm von der Gneisenaustraße bis zur Bergmannstraße zeigen wieder einmal überdeutlich, dass in Berlin noch immer dem motorisierten Individualverkehr viel zu viel Raum eingeräumt wird. Die Zerstörung der Hochbeete wurden mit der Erhaltung der Parkmöglichkeiten in diesem Bereich begründet. Es ist nicht akzeptabel, dass Parkplätze nicht aufgegeben werden, um einen sicheren Fahrradweg zu schaffen und für eine solche autofreundliche Verkehrsplanung zu Lasten der Stadtnatur umgesetzt wird.“

Am Weltspatzentag zeigen die NaturFreunde anhand der Vernichtung von Lebensräumen für den Spatz die massive Zerstörung von Stadtnatur in der „wachsenden Stadt“ auf. Der massive Rückgang der Spatzenbestände steht dabei exemplarisch für die Zerstörung der Stadtnatur. Gerade der Haussperling ist als Gebäudebrüter auf die Erhaltung von Brutplätzen an Gebäuden und die Verfügbarkeit von Rückzugsmöglichkeiten sowie Nahrungshabitaten in unmittelbarer Nähe seiner Brutstätten angewiesen.

Berlin hat sich mit der Strategie zur Biologischen Vielfalt ausdrücklich zum Erhalt typischer urbaner Arten und Lebensräume verpflichtet. Eine wichtige Zielsetzung im Landeswahlprogramm Bündnis 90/Die Grünen Berlin ist der ‚Schutz der Stadtnatur und der Artenvielfalt in der Stadt‘, was in den Planungen bisher nur unzureichend berücksichtigt wird.

Bei Bauvorhaben wird vielfach die EG-Vogelschutzrichtlinie nicht ausreichend berücksichtigt

Die NaturFreunde kritisieren weiter, dass bei Bauvorhaben in Berlin vielfach die geltende EG-Vogelschutzrichtline nicht ausreichend berücksichtigt wird. Häufig sind Abrisse und Sanierungen die Ursache für den Verlust der Brutplätze, obwohl sie gesetzlich geschützt sind.  Von diesen Missständen sind nicht nur Haussperlinge bedroht, sondern auch andere gebäudebewohnende Tierarten wie Mauersegler, Stare, Schwalben und Fledermäuse. Dabei gibt es eine Bandbreite bewährter Lösungen für den Einbau von Niststeinen in Wärmedämmungen. Die Kosten fallen im Vergleich zur Gesamtbausumme nur gering aus. Dennoch gehen mehr und mehr Fortpflanzungsstätten verloren, die essenziellen Nahrungs- und Ruheplätze wie am Mehringdamm werden ebenfalls ignoriert und nicht ausreichend geschützt bzw. nicht wiederhergestellt.
 

Während prominente Tiere wie Seeadler oder Weißstorch in Deutschland von individuellen Schutzprogrammen profitieren, wird der Schutz der Haussperlinge und die als ‚Allerweltsvögel‘ bezeichneten Arten, vielfach vergessen.

Haussperlinge auf Vorwarnliste der Roten Liste

Durch die Zerstörung der Brutmöglichkeiten und Lebensräume in der Stadtnatur steht der Haussperling zwischenzeitlich auf der „Vorwarnliste“ der Roten Liste bedrohter Arten. Eine 2021 veröffentlichte Studie zum Vogelschwund in Europa bestätigt, dass gerade „Allerweltsvögel“ wie der Haussperling in den letzten 40 Jahren die größten Bestandseinbrüche hinnehmen mussten. Mit europaweit knapp 250 Millionen verlorenen Individuen in nur wenigen Jahrzehnten belegt der Haussperling den traurigen ersten Platz in der Liste der größten Verlierer. 

Die Naturfreunde setzen sich für den Spatz als Botschafter der Stadtnatur ein, fordern den Erhalt von Naturbegegnungen im alltäglichen Lebensumfeld und rufen alle Berliner*Innen auf, bedrohte Brutplätze an Gebäuden den Naturschutzbehörden zu melden.